Brut und Aufzucht

Die eigentliche Zuchtphase im Jahresverlauf der Hühnerhaltung beginnt mit der Zusammenstellung der Zuchtstämme. Der Zuchtstamm ist in seiner Zusammensetzung, bezüglich der Gesundheit und Vitalität, der genetischen und äußeren Rassemerkmale von ausschlaggebender Bedeutung für die Qualität der Nachzuchttiere. Die meisten Rassen werden sowohl wegen ihrer Schauverwendung, als auch zur Versorgung der Küche mit Eiern und Fleisch gehalten. Daher legt der aufmerksame Züchter besonders Wert auf die Leistungsfähigkeit der Elterntiere. Natürlich ist der einwandfreie Gesundheitszustand Voraussetzung zur ausreichenden Zahl von Bruteiern von brutgeeigneter Beschaffenheit. Zu den wesentlichen Punkten bei der Gewinnung von Bruteiern ist die Fütterung, um auch eine gute Befruchtung zu erreichen. Die alte Züchterweisheit, dass der Hahn die Hälfte des Stammes bedeutet, lässt sich klar genetisch begründen, gibt doch das Vatertier allen seinen Nachkommen, logischerweise von allen Hennen des Stammes, über die Chromosomen, einerlei ob das Jungtier männlichen oder weiblichen Geschlechts ist, die Hälfte der genetischen Ausstattung mit. Versierte Züchter stellen daher nun Hähne in die Stämme, deren Abstammung sie genau kennen, die im Phänotyp die wichtigsten Rassemerkmale verkörpern und die vor allem makellos sind. Viele Züchter bevorzugen Junghähne, aber auch ältere, bewährte Zuchthähne sind sehr Wertvoll, sofern sie noch gut befruchten. Eine Faustregel zur Einkreuzung sogenannten frischen Blutes in die eigenen Zuchtstämme, besser eine Henne oder mehrere weibliche Zuchttiere als einen fremden Hahn einstellen, dessen Vererbungseigenschaften in der Verpaarung mit blutsfremden Hennen ungewiss ist. Das Risiko, unbefriedigende Nachzucht zu erzielen, hält sich durch Einstellen fremder Hennen in Grenzen, während sich ein unpassender Hahn auf die gesamte Nachzucht ungünstig auswirken kann. Zu den Zuchtvorbereitungen sollten Überlegungen zum Thema Reinzucht und Inzucht nicht fehlen.

Bei der Reinzucht handelt es sich um ein Zuchtverfahren, bei dem Tiere einer bestimmten Population (Rasse oder Linie) untereinander verpaart werden. Die Hennen solcher Reinzuchtstämme dürfen untereinander verwandt sein, die Hähne sollten nicht Vollgeschwister zu den Hennen im Zuchtstamm sein. Für den Rassegeflügelzüchter ist mindestens die Reinzucht Bedingung, um die jeweiligen Rassemerkmale zu halten und zu verbessern, es sei denn der Züchter würde wesentliche Umformung hinsichtlich Gestalt und Farbbild oder gar die Herauszüchtung  einer neuen Rasse anstreben. In der Entstehungs und Entwicklungsgeschichte aller Rassen ist immer wieder die vorübergehende Auslösung der Reinzuchtmethode zugunsten der Festigung und Verbesserung des gewünschten Typs erforderlich gewesen.

Die Inzucht wird in der Haustierzucht im Allgemeinen und in der Rassehühnerzucht im Besonderen unterschiedlich bewertet. Es ist einerseits kein Zaubermittel zur Erzielung besonders hochrassiger Exemplare auf schnellen Wegen, anderseits aber auch keine gefürchtete Entgleisung wie es manchmal im Urteil nicht sachkundiger Züchter heißt. Diese unterschiedlichen Meinungen rühren aber auch aus den Erfahrungen, dass sowohl große züchterische Erfolge, als auch entmutigende Misserfolge durch Inzucht bedingt sein können. Inzucht ist Verwandtschaftszucht, also die Verpaarung blutsverwandter Tiere. Engste Inzucht liegt dann vor, wenn Eltern, Kinder, Großenkel und Enkel sowie Geschwister untereinander verpaart werden. Da Inzucht auch in der Natur vorkommt, kann sie nicht prinzipiell schädlich sein. Die sogenannten Vollblutzuchten zum Beispiel bei Pferden oder Rindern sind markante Beispiele für die nutzbringende Anwendung von Inzuchtverfahren. So kann auch der Rassegeflügelzüchter durch die Verpaarung einer reinen Geschwisterherde, die die Rassemerkmale in hohem Grade zeigen, typ feste Nachkommen erzielen ohne wesentliche Ausfälle. Allerdings ist das äußere Erscheinungsbild eines Tieres niemals nur den Erbanlagen, sondern auch den Einflüssen der Umwelt (Haltung und Fütterung, Klima) zuzuschreiben. Die nachteiligen Folgen der Inzucht sind dadurch bedingt, dass auch unerwünschte Merkmale über rezessive Gene sozusagen verstärkt auftreten können. So können zum Beispiel Elterntiere, die Geschwister sind und die Neigung zum Fehler in der Kammzackung genetisch verdeckt besitzen bei ihren Nachkommen hochgradig fehlerhafte Kämme hervorbringen. Nachteilig kann sich auch Inzucht auf andere Merkmale auswirken. So wurde durch experimentelle Züchtungen ermittelt, dass die Schlupffähigkeit, Legeleistung zurückging, das Eigewicht und Körpergewicht sank. Die Küken Sterblichkeit  erhöhte sich gegenüber den Fremdzuchtverfahren. Bei einmaligen Inzuchtdepressionen treten in der Regel noch keine Schäden auf, dagegen zeigen die Nachfolgegenerationen sehr schnell Degenerationserscheinungen. In Kenntnis dieser Sachverhalte muss sich der Züchter vor Beginn der Zuchtperiode überlegen, ob er die Risiken der Inzucht unter Abwägung der möglichen Vorteile eingehen will. Neben Gesundheit, genetisch passender Verpaarung und zahlenmäßig günstiger Zusammenstellung der Zuchttiere in den Stämmen, ist die Erzielung einer guten Befruchtung wichtige Voraussetzung zum Bruterfolg. Es wirken sich Umweltfaktoren, wie Hitze und Kälte, sehr negativ auf die Spermienproduktion und Qualität aus. Ungünstige Temperaturen können zu Missbildungen der Spermien und so zum Absinken der Befruchtungsrate führen. Das Licht bei der Befruchtung spielt auch eine Rolle. Eine langhaltige Lichtintensität fördert die Spermienbildung. Das Licht wird über das Auge wahrgenommen und wirkt über das Nervensystem als elektrischer Reiz auf die Hirnanhangdrüse. Diese scheidet gonadotrope Hormone ab, die positiv auf den Hodenstoffwechsel wirken. Das künstliche Licht in den Ställen sollte so eingestellt sein, das die Tiere ca. vierzehn Stunden am Tage im Licht stehen. Die Haltungstemperatur von neunzehn grad Celsius gilt als optimal für die Befruchtung. Bei höheren Temperaturen ist die Verabreichung von Vitamin C zusätzlich angezeigt, da dadurch die nachlassende Befruchtung ausgeglichen wird. Überhaupt spielen Vitaminstoffe in diesem Zusammenhang eine bedeutende Rolle. Das Vitamin F, das in fettreichen Sämereien und pflanzlichen Ölen in hohen Dosen enthalten ist, kann die Befruchtungsrate steigern. Als Fruchtbarkeitsvitamin wird ausdrücklich das Vitamin E bezeichnet. Vor allem ist die Verabreichung durch Keimhafer relativ durchzuführen. Im Handel bekommt man aber auch Vitaminpräparate, die so manche Arbeit ersparen. Andere Mineralien wie Kalzium, Eisen, Mangan, Magnesium usw. wirken sich indirekt über den tierischen Organismus positiv auf die Befruchtung aus, wenn sie im Futter in der richtigen Menge und Zusammensetzung enthalten sind. Die Mineralien werden im Ejakulat sichtbar. Vor der Ejakullation vermischen sich die Spermien mit einer transparenten Flüssigkeit. Die Seminalflüssigkeit enthält unter anderem Kalzium, Magnesium, Kalium, Chlorid und vieles mehr. Die Spermien selbst enthalten die Bausteine der Eiweiße, die Aminosäuren. Spermien mit guten Befruchtungseigenschaften haben im Vergleich zu weniger gut befruchtenden Samenfäden einen deutlichen Anstieg von Aminosäuren zu verzeichnen. Da wird die Wichtigkeit einer guten und ausgewogenen Nährstoffversorgung offensichtlich.